Warteschlangen, Kontrollen von Impfnachweis und PCR-Test, abgesperrte Stuhlreihen, je 250 Besucher und Besucherinnen spätnachmittags und abends bei der Konzertwiederholung. „So sieht die Pauluskirche ausverkauft unter Corona-Bedingungen aus“, begrüßte Karl Bacherle, der Aktionsleiter der Spendenaktion 100 000 und Ulmer helft, das Publikum zur „Christmas Night“, dem „einzigen Konzert in der 51. Spendenaktion“. Diese ganz besondere Nacht vor Heiligabend ist mit Trompeter Joo Kraus & Freunden seit 20 Jahren ein Dauerbrenner zugunsten der Benefiz-Aktion. Vergangenes Jahr im Lockdown abgesagt, spielte das fünfköpfige Aufgebot von deutschlandweitem Ruf am Donnerstag unter dem Motto „Ein Zeichen der Hoffnung“.
Ein turbulentes, ein schwieriges Jahr neigt sich dem Ende zu. Umso wichtiger sind vielen Menschen Momente des Innehaltens, der Ruhe und Besinnung. Bei Live-Musik alles mal hinter sich lassen. Zum Meditationsritual, zum Licht in dunkler Zeit wurde da die Christmas Night und bot freigeistige Einstimmung auf Weihnachten im einzigartig inszenierten Flair. Dutzende Teelichter flackerten auf dem Podium im Altarraum, prächtig erstrahlte die große Weihnachtstanne, plastisch waren der Christus am Kreuz und die Seitenarkaden ausgeleuchtet.
Die Pauluskirche wurde zum Resonanzraum, im fließenden Wechsel in verschiedenen Besetzungen und Positionen zwischen oben und unten bespielt, ob in Bearbeitungen oder Eigen-Kompositionen, etwa Veit Hübners Walzer „Für Heike“. Von der Tontechnik der Studenten der Hochschule Furtwangen ehrenamtlich hervorragend ausgesteuert, verschmolzen Romantik, Filmmusik, Jazz, Ambient, experimentelle und sphärische Effekte zu einem Klangkosmos voller Magie: Wohlig ging der Zauber aus Musik und Licht unter die Haut.
Auf der Orgelempore zogen die beiden Lokalmatadoren Joo Kraus, musikalischer Leiter des derzeitigen Musicalerfolgs „Die Addams Family“ am Theater Ulm, und sein Namensvetter Dieter Kraus (Sopran-/Altsaxophon) mit Andreas Gräsle, Bezirkskantor und Musikhochschul-Dozent aus Ditzingen, an der spätromantischen Link-Orgel von 1910 (und beim Walzer am Flügel) schon eingangs das Publikum in den Bann der berühmten Polowetzer Tänze von Alexander Borodin.
Berückend und entrückend: Das raumgreifende Klanggespräch zwischen dem Trio und den Brüdern Gregor (Violine) und Veit Hübner (Kontrabass) im Altarraum, die Borodins romantische Tonsprache im russischen Nationalstil, reich an orientalischen Einflüssen und exotischer Färbung mit markanten Akzenten und großer Farbpalette, schillernd ausstaffierten.

„Nana“ und „Stille Nacht“

Die Violine jubilierte in verführerischer Süße, sonor knarzte der Kontrabass, gezupft und gestrichen im Solo mit jazziger Attitüde, plusterte sich über eingespielten Loops zu fast orchestraler Fülle auf. Rund, warm und innig traf der kultivierte Sound des in allen Genres versierten Fünfers in wechselnden Hauptrollen auf offene Ohren und begeisterte Zustimmung. Lupenrein-sanfter Bläser-Glanz und satter Balladenton umschmeichelte Ennio Morricones populäre Filmmusik „Once Upon A Time In The West“.
Auch Rimsky-Korsakows orientalische Märchenbilder aus “Scheherazade” boten von Folklore durchwirkt reichlich Stoff für gestalterische Fantasien, klangliche Finessen und Hörwonnen. Nach Manuel de Fallas spanischem Schlaflied „Nana“ (1914) in verträumter, moll-verhangener Wehmut und Riesenbeifall durfte bei der traditionellen Zugabe nochmals geschwelgt werden: herzerwärmend, behutsam wie auf Zehenspitzen im neuen Licht modern aufgefächert „Stille Nacht“.

Einziges Konzert der Aktion 100 000

Die „Christmas Night“ in der Pauluskirche unter Federführung des Ulmer Startrompeters Joo Kraus ist traditionell einer der Programm-Höhepunkte der Spendenaktion 100 000 und Ulmer helft. „Statt sonst 40 oder 50 Konzerten“, so Aktionsleiter Karl Bacherle, war sie wegen der aktuellen Corona-Situation das einzige Konzert in der 51. Auflage der Aktion, das stattfinden konnte. Die Spendensaison beginnt jährlich im November und endet im Februar (aktion100000.de).