05.01.2024

Missbraucht und depressiv: Einziger Halt ist ihr Hund

Für die Zwangsheirat wurde sie als 14-Jährige einfach sieben Jahre älter gemacht. Die Liste der Medikamente, die Emine S. (40) einnehmen muss, ist lang. Für eine Brille mangelt es an Geld.


Die Frage nach ihrem Alter bringt eine Lebensgeschichte voller Angst und Schrecken an den Tag: Sie sei offiziell 47 Jahre alt, in Wirklichkeit jedoch erst 40, sagt Emine S. nach einigem Zögern und erklärt: Um sie als 14-Jährige zu verheiraten, hätten ihre Eltern ihr Geburtsdatum um sieben Jahre vorverlegt, wie es damals üblich gewesen sei in jenem abgelegenen Landstrich in der Türkei, aus dem sie stammt.

Zwangsheirat und Schläge: Ohne Elternliebe aufgewachsen

Nicht erst mit der Zwangsheirat begann das Leid im Leben von Emine S. (Name geändert). Elternliebe hat sie nie erfahren. Die Mutter war streng und unerbittlich. Emine S. erinnert sich „als sei es gestern gewesen“ an Schläge in der Kindheit, bei denen Blut floss. Aus der Ehe konnte sie fliehen, ein Landsmann nahm sie als Asylbewerberin mit in die Niederlande. Bald merkte sie, dass sie eine Hölle mit der anderen getauscht hatte: „Er hat mir versprochen, mich wie eine Tochter zu behandeln. Aber er hat mich missbraucht und ausgenützt.“ Wieder floh sie und kam in einem Asylheim unter. Sie konnte zur Schule gehen, besuchte das Gymnasium und machte Abitur. „Ich war sehr gut in Mathe“, erzählt sie, und ihre Augen leuchten. Sie spricht mehrere Sprachen fließend. Ihr großer Traum war es, Tierärztin oder Journalistin zu werden.

„Ich dachte immer, dass es irgendwann besser wird“

Doch als sie 18 Jahre alt war, traten die ersten Panikattacken auf und hinderten sie am Studium. Hinzu kamen Zwangsstörungen und Depressionen, die ihr den Job als Buchhalterin, den sie angenommen hatte, erschwerten und schließlich unmöglich machten. Ein drittes Mal geriet sie an einen gewalttätigen Mann, der sie betrog. Lange hielt sie aus. „Ich dachte immer, dass es irgendwann besser wird, weil wir ja auch ein Kind hatten“, sagt sie. Als sie verstand, dass sie vergeblich hoffte, schaffte sie es mit psychotherapeutischer Hilfe, sich von ihrem Partner zu trennen.


Armut in allen Facetten erlebt

Obwohl sie in ihrem Leben „alle Formen von Armut erlebt“ hat und aufgrund ihrer Erkrankungen auf Hartz IV beziehungsweise Bürgergeld angewiesen ist, hat sie immer darauf geachtet, dass ihre Tochter mit anderen Kindern mithalten kann. Sie sollte es besser haben als ihre Mutter. Die macht sich derzeit große Sorgen um das Mädchen in der Pubertät und hat deswegen so stark abgenommen, „dass alle Kleider schlabbern“.

Wieder leidet sie unter starken Depressionen und Magenproblemen, muss zahlreiche Medikamente nehmen – unter anderem gegen eine Schilddrüsen-Krankheit und Diabetes. Ihre Kurzsichtigkeit hat sich verstärkt, sie müsste eigentlich eine Brille tragen, um in die Ferne zu schauen. Doch das Geld dafür könne sie unmöglich aufbringen, zumal sie in monatlichen Raten von 100 Euro ihre Schulden abbezahlt. Spenden über die Aktion 100000 und Ulmer helft könnten ihr aus der finanziellen Schräglage helfen.

Den Verzicht gewohnt, Schreiben hilft

Sie ist es gewohnt, zu verzichten – auf fast alles, nur nicht auf ihr Hündchen. Das bietet ihr Trost, auch wenn es aufgrund eines Herzfehlers zusätzliche Kosten verursacht. „Aber ich könnte es niemals weggeben“, beteuert sie. Und es geht ihr gut, wenn sie sich hinsetzt und schreibt: Sie arbeitet an einem Thriller in ihrer Muttersprache Türkisch, in dem sie ihre Lebensgeschichte mit fiktiven Elementen anreichert. Sie träumt davon, eines Tages den Roman zu veröffentlichen – auch auf Deutsch, sofern sie einen Übersetzer oder eine Übersetzerin dafür findet.

Direkte Hilfe für Emine S.

Wer gezielt Emine S. unterstützen möchte, vermerkt auf dem Überweisungsträger unter Verwendungszweck das Stichwort  „Emine S.“.
Spendenkonto bei der Volksbank Ulm-Biberach:
IBAN DE79 6309 0100 0002 3640 18, BIC ULMVDE66XXX
Bei der Sparkasse Ulm: IBAN DE47 6305 0000 0000 1000 03, BIC SOLADES1ULM
Bei der BW-Bank: IBAN DE05 6005 0101 7439 5013 93, BIC SOLADEST600

Ein Artikel von: Barbara Hinzpeter