Noch vier Euro für zwei Wochen
Der Arbeitgeber will sie nicht mehr, die Wohnung ist gekündigt und ihr Mann krank: Gabriela S. braucht viel Kraft, um nicht zu verzweifeln.
Dichter Nebel hüllt das Albdorf ein. Draußen ist es kalt und ungemütlich. Auch drinnen ist es nicht gerade mollig warm. Die Heizung sei defekt, der elektrische Ersatzofen ein Stromfresser, der wegen der Energiekosten nur sparsam eingeschaltet werde, sagt Gabriela S. (Name geändert).
Schon Mitte November hat sie die Weihnachtsdeko hervorgeholt und das Wohnzimmer geschmückt. „Was soll ich sonst machen? Ich hab‘ ja Zeit“, sagt die 55-Jährige mit hörbarer Resignation in der Stimme. „Wir waren eine so schöne Familie“, sagt sie. Doch die hat es dieses Jahr schwer getroffen: Im April erlitt der Ehemann von Gabriela S. einen Schlaganfall, er kann seither seinem Beruf nicht nachgehen und erhält Krankengeld. Das war zunächst zu verschmerzen. Doch seit Ende Oktober ist Gabriela S. arbeitslos.
Schon die Ankündigung, dass ihr befristeter Vertrag im Januar nicht verlängert wird, war ein Schock für sie. Damit hätte sie nie gerechnet, denn sie sei fleißig und beliebt gewesen in der Firma. Völlig aus den Wolken fiel sie, als ihr wenig später der Chef einen Aufhebungsvertrag vorlegte. „Ich konnte nicht klar denken und hab‘ unterschrieben“, erzählt sie. Im Nachhinein wisse sie, dass das falsch war und sie den Betriebsrat hätte einschalten müssen.
Bis heute ist es ihr ein Rätsel, warum das Arbeitsverhältnis nicht verlängert und darüber hinaus Knall auf Fall beendet wurde. Sie habe viel geschafft im Leben, sagt die Mutter von drei inzwischen erwachsenen Kindern. Nach den Erziehungszeiten war sie in unterschiedlichen Branchen tätig. Unter anderem arbeitete sie in einem befristeten Projekt im medizinischen Bereich. Als es beendet war, nahm sie eine Stelle im Verkauf in ihrem eigentlichen Metier an. „Ich dachte, das sei die letzte Station in meinem Arbeitsleben“, sagt die gelernte Konditorin. Nun falle es ihr schwer, nicht zu verzweifeln, zumal es inzwischen auch an anderer Stelle „brennt“: Vor kurzem kündigten die neuen Hausbesitzer die Wohnung wegen Eigenbedarfs.
Jetzt ist sie auf der Suche nach einem bezahlbaren Zuhause mit Platz für drei Personen. Neue Wohnung, neuer Job – ihr sei ziemlich bang, wenn sie daran denkt, dass sie „nochmal von vorn anfangen muss“. Sie schämt sich außerordentlich, weil sie um Hilfe bitten muss, um die Notlage zu überbrücken, bis sie Arbeit und Wohnung gefunden hat. Das Krankengeld im dreistelligen Bereich reiche hinten und vorne nicht. Arbeitslosengeld wurde bisher noch nicht ausgezahlt, werde aber auch nicht üppig ausfallen.
Wenn sie im Supermarkt einkauft, überlegt sie daher, ob sie eher Milch oder Obst mitnehmen soll, beides gehe nicht. Weil der Gefrierschrank kaputt ist, könne sie keine frischen Lebensmittel aus dem Sonderangebot auf Vorrat kaufen, bedauert Gabriela S. und zeigt auf ihren Konto-Auszug. „Bei knapp vier Euro Guthaben in der Monatsmitte überlegst du schon, ob du dir nicht etwas antun willst.“ Die düsteren Gedanken plagen sie. Doch sie schiebt sie beiseite, wenn sie an die Familie denkt – an ihren Mann, ihre Kinder und das Enkelkind. Mit ihnen möchte sie ein schönes Weihnachtsfest feiern und hofft, dass das Wohnzimmer an den Festtagen warm genug ist.
Manchmal halte sie es nicht mehr aus und würde gerne etwas mit dem Auto herumfahren. „Da kann ich gut abschalten. Aber dann denke ich daran, was der Sprit kostet und lasse es.“ Schließlich wird in dem abgelegenen Dorf das Benzin für Wichtigeres benötigt, für Fahrten zum Arzt oder zum Einkauf im Supermarkt.
Direkte Hilfe für Familie S.
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ein Artikel von Barbara Hinzpeter