16.12.2024

Nikoläuse und ein Nussknacker

Der „Abendsegen“ am dritten Advent: Mit ihren Auftritten beglücken die Spatzen-Chöre und die Junge Bläserphilharmonie Ulm das Publikum in der Pauluskirche.

Eine unüberschaubare Menge an Nikoläusen. Also an echten kleinen, quicklebendigen. Rund einhundert rot-weiß-bemützte Mädchen und Buben singen „Du bist der Weihnachtsmann“. Daran glaubt man so gerne. Weihnachten, das Familienfest, schon am dritten Adventssonntag. Das war beim Weihnachtskonzert des Ulmer Spatzen Chors und der Jungen Bläserphilharmonie Ulm (JBU) generationenübergreifend nachvollziehbar: Kinder und Jugendliche auf der Bühne und in den Publikumsreihen, zuhörende und klatschende Eltern und Großeltern (und auch ein Oberbürgermeister) in der Pauluskirche.

 

Wobei hier nicht nur familiär fanmäßig angefeuert werden musste, das Programm besaß wieder Qualität. Mit seinem Bläserensemble eröffnete JBU-Dirigent Josef Christ auf der Altarempore kurz nach 14 Uhr gewissermaßen die Nachmittagsvorstellung des doppelten Weihnachtskonzerts 2024: „Tochter Zion“, aber mal in einer Pophit-Version von Jacob de Haan. Dann, wie gesagt, der rührende Vorchor-Aufritt, angefangen mit „Still, still, still“: Nachwuchssorgen haben die Spatzen offenbar nicht.

 

Die Dirigentin Salome Rebello bot mit dem Kinder- und dem Jugendchor eine vielfältige, internationale Stücke-Folge: Weihnachtslieder aus der Ukraine, Spanien, Italien, Schweden, England, Deutschland, den USA. Ganz unterschiedliche Stimmungen und Klänge, fein ausgestaltet. Hannes Kalbrecht war der souveräne Begleiter am Flügel. Originell: „Ihr Kinderlein, kommet“, umspielt von der (Geigen-)Melodie des Bach-Chorals „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (Solistin: Sarah Jensen).

 

Sehr anspruchsvoll, gekonnt vorgetragen (mit kräftigem hohen Sopran): drei Nummern aus „Ceremony of Carols“ von Benjamin Britten. Wunderschön schlicht, a cappella: „Es ist ein Ros entsprungen“, der Praetorius-Satz; und ein paar junge Männerstimme holte Rebello dafür, tiefengrundierend, noch in den Chor. Und dann, schöne Idee, dieses alte Weihnachtlied noch einmal, jetzt angejazzt in einem modernen Satz von Tilman Jäger.

 

Nach der kurzen Umbaupause packten die Instrumentalisten neben dem leuchtenden Christbaum eine ganze Reihe von Melodien aus. Das fröhlich motivierte Nachwuchsorchester der JBU zunächst: mit der Filmmusik „Believe“ aus dem „Polar-Express“ und auch einem Medley deutscher Weihnachtslieder, arrangiert von Johnnie Vinson. Danach war sowieso „Christmas Time“, mit dem Großen Orchester.

 

Josef Christ hatte in diesem Jahr noch zwei große, tolle Werke einstudiert. Zunächst „You Raise Me Up“, den Popsong von Secret-Garden-Mitglied Rolf Løvland – aber in einer Version für Blasorchester und Solo-Euphonium von Takashi Hoshide. „Du ermutigst mich, du baust mich auf“? Ja, großartig die Solistin Nora Weisz mit einem butterweichen Sound.

 

„Himmlische Heere“

 

Schließlich „The Nutcracker Fantasy“ von Yo Goto: eine Art Suite für Blasorchester mit den Melodien und Motiven aus Peter Tschaikowskys „Nussknacker“. Dass das nicht nur eine Ballettmusik ist für aneinandergereihte Tanznummern, sondern ein sinfonisch-dramatisches Glanzstück der Spätromantik, war in dieser ziemlich spielschweren, sehr wirkungsvoll gemeisterten Version zu hören. Großer Applaus.

 

Dann das riesige Gruppenbild, der Aufmarsch sämtlicher Spatzen für den „Abendsegen“ aus Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“, und für das gemeinsame „O du fröhliche“ stellte sich seitlich auch noch das Nachwuchsorchester der JBU auf: sehr friedliche „himmlische Heere“ auf der Tribüne. „Freue, freue dich o Christenheit!“: In der Pauluskirche freute sich überhaupt das Publikum, Standing Ovations. Das war um 16.07 Uhr. Und schon um 17 Uhr sollte es bei diesem Weihnachtskonzert zugunsten der Aktion 100.000 und Ulmer helft in die zweite Runde gehen. Dann mit dem Kammerchor Les Passerelles statt dem Spatzen-Vorchor. Die anderen aber mussten alle wieder ran: tapfer, sehr professionell. Respekt!



Seit 1995 leitet Josef Christ die Junge Bläserphilharmonie Ulm (vormals Ulmer Knabenmusik), zum November 2025 wird er in den Ruhestand treten. Die Nachfolgesuche war ausgeschrieben, die Bewerbungen werden in den nächsten Wochen gesichtet. So waren das jetzt die letzten Weihnachtskonzerte für den Dirigenten Christ in der Pauluskirche: emotionale Momente.

ein Artikel von Jürgen Kanold