14.03.2019

Die Neue Philharmonie München entfesselt wahre Klangfluten

Riesenjubel für Pathos pur herrschte beim Auftritt der Neuen Philharmonie München im Haus der Begegnung!

Ein noch zugkräftigeres Programm als das, was die Neue Philharmonie München sich für ihr Konzert im Haus der Begegnung auserkoren hatte, lässt sich schwerlich vorstellen: Zum Auftakt Beethovens Egmont-Ouvertüre, dann Tschaikowskys Violinkonzert und nach der Pause dessen 6. Sinfonie. Drei veritable Schlachtrösser also, die Chefdirigent Fuad Ibrahimov mit seinen Neuen Philharmonikern über die Bühne des nahezu ausverkauften Hauses der Begegnung galoppieren ließ, dass es nur so eine Lustbarkeit war. Tschaikowsky verlangt einen riesigen Orchesterapparat, entsprechend waren nicht nur der Bühnenraum, sondern auch die ersten Reihen des Parketts mit Musikern besetzt. Für ausreichend Dezibel war gesorgt und schon die „Egmont“-Ouvertüre, der starke Aufmacher des Abends, ließ keine Zweifel an der akustischen Schlagkraft des semiprofessionellen Klangkörpers aufkommen. Wenn es neben dem „Fidelio“ ein Werk gibt, in dem das Pathos der Freiheit eine letztgültige Gestalt angenommen hat, dann ist das die „Egmont“-Ouvertüre. Verdientermaßen Riesenapplaus für Zugpferd Nr. 1. Aus einem ganz anderen Holz geschnitzt, wenngleich nicht minder hitverdächtig: Tschaikowskys Violinkonzert, eines seiner wenigen Dur-Werke. Wie leicht ihm die Arbeit an dieser lichtdurchfluteten Komposition fiel, vermerkte der Komponist in einem Brief: „Das Schaffen verliert hier gänzlich das Gepräge der Arbeit – es ist andauernde Seligkeit.“ Der Geigerin Maria Solozobova war es vorbehalten, den Solopart zu spielen. Und zum großen Vorteil für das oft zu süßlich gespielte Werk – Kritikerpapst Eduard Hanslick verunglimpfte es 1881 als „stinkende Musik“ – scheute Solozobova sich nicht, auch herbe, ja mitunter kantige Töne anzuschlagen. Das herrliche Andante gestaltete sie aber ganz aus dem Geist der „Seligkeit“ heraus: hell, transparent, innig. Kurz: meisterlich. Diese Lesart kam gut an und bescherte ihr nach dem ersten Satz heftigen Zwischenapplaus, am Schluss des Werks dann sogar eine regelrechte Jubel-Euphorie.

Nach der Pause dann die pathetische Sinfonie schlechthin – ein akustischer Psychokrimi in vier Sätzen, der (auch und vor allem) von den Leiden seines Schöpfers an der von der Gesellschaft nicht tolerierten Homosexualität erzählt. Das Haus der Begegnung war fast zu klein für die zugleich rabiate und durchsichtige Darbietung, die Ibrahimov und die Seinen dem Werk angedeihen ließen. Der tosende Schlussapplaus nach so viel kongenial inszeniertem Pathos war hoch verdient.

Burkhard Schäfer