03.08.2019

Etwas Normalität und weniger Sorgen

Jamin Gashi spricht von einer "großen Hilfe", die ihm dank der Spenden über die Aktion 100 000 widerfahren ist.

Ehingen. „Wie man‘s nimmt“, antwortet Jamin Gashi auf die Frage, wie es im geht. Die Belastung abseits des Alltags, der finanzielle Druck, hat abgenommen, sagt der 40-Jährige. Es gehe besser. „Ich konnte einige Rechnungen bezahlen. Dank der Aktion.“ Das Haus sei sicher, er bekomme Witwer-Rente, seine fünf Kinder Halbwaisenrente.

Mit seiner Frau Christiane hatte Jamin Gashi vor geraumer Zeit ein Haus in Ehingen gekauft, dazu einen Kredit aufgenommen, um für seine Frau, die gemeinsamen Kinder Lejla – mit 13 Jahren die Älteste –, Leonora, Alina, Albijona, Fiona und für sich ein Zuhause zu haben (wir berichteten). Christiane Gashi kümmerte sich um die Kinder, Jamin Gashi ging arbeiten. Seit seine Frau im März dieses Jahres plötzlich starb, kümmerte sich der Vater alleine um seine Töchter. Arbeiten gehen konnte er nicht mehr. Die Rechnungen kamen dennoch.

Im September wieder arbeiten
Derzeit befindet sich Jamin Gashi in Elternzeit, Anfang September wird er wieder arbeiten gehen, mit seinem Chef in einer Firma im Ulmer Donautal hat er alles besprochen. Der freue sich, dass er wiederkomme. Wie viel er arbeiten werde? So um die 130 Stunden im Monat. Früher habe er mehr gearbeitet, aber ohne Betreuung der Kinder zuhause gehe das jetzt nicht mehr.

Als er von all dem spricht, sitzt Jamin Gashi auf seinem Sofa im Ess- und Wohnzimmer. Wenige Minuten zuvor, bevor er von den vergangenen Wochen erzählt, hat er seiner Tochter Lejla noch aufgegeben, die Hausaufgaben zu erledigen. Sie ist die einzige der fünf Töchter, die schon zuhause ist, Leonora, Alina, Albijona und Fiona sind in der Schule oder in der Krippe. Doch auf dem Esstisch erinnern vier Trinkbecher mit Strohhalmen und ein leerer Schoppen daran, dass hier morgens und abends volles Haus ist.

Künftig will er von 7 bis 17 Uhr arbeiten, solange seien die Kleinsten betreut und Lejla meist in der Schule. Dass dieser Plan einen Haken hat, weiß der Familienvater. „Ich könnte ein Problem kriegen, wenn meine Kinder krank werden oder Sommerferien sind.“

Verfahren für Schwester läuft

Ob seine Schwester Valmire aus dem Kosovo einreisen darf, um ihren Bruder zu unterstützen, steht noch immer nicht fest. Er habe Ende Juni erst von seiner Anwältin aus Blaustein eine E-Mail bekommen, in der es heißt, dass seine Schwester einen Anhörungstermin in der deutschen Vertretung im Kosovo bekommt, ein Termin steht aber noch nicht fest. „Ich hoffe aber, dass das bis September klappt.“

Mit dem Geld, das der Familienvater demnächst wieder verdient und dem Geld, das ihn über die Aktion 100 000 von mehr als 400 Privatpersonen, Vereinen, Verbänden, Gruppen und Unternehmen (siehe Info) erreicht hat und erreichen wird, komme er über die Runden, sagt Jamin Gashi. „Das ist für mich und meine  Familie eine große Hilfe. Ich kann nichts anderes sagen außer: Danke. Danke. Danke.“ Er hoffe, dass das jeder Spender lese. Ob er eine solche Hilfsbereitschaft erwartet habe? „Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht.“

An diesem Nachmittag steht noch ein Fest an, das am Abend gefeiert wird: Fiona, die jüngste der fünf Töchter, wird an diesem Juli-Tag ein Jahr alt, die Familie wird am Abend im kleinen Garten vor dem Haus grillen und feiern.

Eine Familie braucht Hilfe!

Christiane und Jamin Gashi erfüllten sich vor anderthalb Jahren den Traum vom Eigenheim in Ehingen. Nach dem plötzlichen Tod der Mutter benötigen der Vater und die fünf Töchter Unterstützung

Das war für mich wie ein Traum“, sagt Jamin Gashi über den Moment, als er in der RKU-Klinik in Ulm vor dem Arzt saß, der seine Frau behandelte. Am 20. März war das, irgendwann weit nach 15 Uhr. Wenn der 40-Jährige über die Ereignisse dieser Tage spricht, redet er mit fester Stimme, aber schnell. Damals hatte der Arzt ihn gegen 15 Uhr angerufen, gesagt, er solle sofort kommen, und ihm dann mitgeteilt: „Ihre Frau stirbt.“

Die Melodie von „Happy Birthday“ klingt durchs Haus, Lejla – mit zwölf Jahren die Älteste der fünf Kinder – spielt gekonnt auf der Querflöte, als ihr Vater am Dienstag von den Tagen im März erzählt und dabei auf seinem Ecksofa im Wohn- und Esszimmer in seinem Haus in Ehingen sitzt. Über dem Esszimmer-Tisch hängt ein Schwarz-Weiß-Foto seiner Frau Christiane. Gemeinsam mit ihr hat Gashi das Haus vor gut anderthalb Jahren gekauft. Die Familie hat sich damals verschuldet, wie andere junge Familien auch, die ein Haus kaufen.

„Die Ärzte meinten, es war ein Zug.“ In den zwei Wochen vor dem 20. März, einem Mittwoch, habe sie ständig Kopfschmerzen gehabt, zwei Mal seien sie beim Hausarzt gewesen, der Schmerzmittel verschrieb. An dem Mittwoch dann erhielt Jamin Gashi um 8.30 Uhr, er war bereits bei der Arbeit, einen Anruf von Christiane. Sie habe gesagt, dass etwas mit ihr nicht stimme, sie zum Arzt müsse, er kommen solle, damit die sieben Monate alte Tochter versorgt sei.

Einst schien die finanzielle Situation der Familie sicher. Jamin Gashi stammt aus dem Kosovo, vor 20 Jahren ist er nach Deutschland gekommen. Seitdem arbeitet er, mittlerweile als Staplerfahrer für ein Unternehmen im Industriegebiet Donautal in Ulm. Irgendwann lernte er Christiane aus Ulm kennen, sie heirateten und lebten zunächst in Donau stetten. Sie kümmerte sich um die Kinder, er verdiente das Geld, und er leistete Überstunden – für Spielsachen, für Familienausflüge, für ein Haus.

„Sie lag auf dem Boden und hat die Kleine angezogen.“ Er war an dem Mittwoch nach dem Anruf nach Hause geeilt. Christianes rechte Körperhälfte sei seltsam gewesen, ihre Stimme habe beim Reden gestockt. Einen Notarzt habe er nicht gerufen, sagt Jamin Gashi, Christiane sei ja ansprechbar gewesen. Er fuhr sie ins Klinikum nach Ehingen, dort reagierten die Ärzte sofort und brachten seine Frau ins RKU. „Ich habe meine Frau verabschiedet, als ob ich sie in vier Stunden wiedersehe.“

Anwältin engagiert sich:
Gerhard Zielke, Immobilienmakler aus Schelklingen, der den Gashis das Haus vermittelte, sitzt am Dienstag neben dem Familienvater. Er erfuhr per Zufall vom Schicksal der Gashis – und wandte sich an die Aktion 100 000. „Er hat es schön hergerichtet“, sagt Zielke. Gashi nickt, sagt, dass er nach dem Kauf des Hauses fünf Monate darin gearbeitet habe. Das Bad ist renoviert, im Dachgeschoss hat er zwei Zimmer eingebaut. Die 146 Quadratmeter sollten Christiane und Jamin Gashi ein Zuhause bieten, in dem Lejla, Leonora, Alina und Albijona eigene Zimmer haben. Fiona war damals noch nicht auf der Welt.

Zwei Tage nach dem Schlaganfall starb Christiane Gashi mit 35 Jahren. Die Kinder, sagt der Vater, reden nicht über den Tod ihrer Mutter.

Der Vater kümmert sich seit März um den Haushalt, das Finanzielle, die Hausaufgaben der Kinder. Mathe könne er ja noch, sagt der Vater. „Aber Geschichten erzählen? Da habe ich keine Ahnung.“ Alles Dinge, um die sich früher Christiane kümmerte.

Seit ihrem Tod war er nicht mehr arbeiten, und ohne die Überstunden reicht das Geld nicht. Seine Chefs haben Verständnis, aber auch sie müssen wissen, wie es weiter geht. „Vollzeit geht gerade nicht.“

Jamin Gashi hat hier keine Verwandtschaft, seine Schwester Valmire, die im Kosovo lebt, könne sich vorstellen, zu helfen. Doch dazu bedarf es einer Aufenthaltserlaubnis. Zielke hat eine Anwältin aus Blaustein beauftragt, sich zu kümmern, die Kosten wollte er übernehmen, als die Anwältin die Geschichte hörte, winkte sie laut Zielke ab: Sie wolle ihn unterstützen, einen kleinen Beitrag leisten.

HILFE: Wer Familie Gashi finanziell beistehen will, notiert auf der Überweisung an die Aktion 100 000 und Ulmer helft das Stichwort "Familie Gashi" Die Spendenkonten sind bei der Volksbank Ulm-Biberach (IBAN: DE79630901000002364018, BIC: ULMVDE66XXX) und bei der Sparkasse Ulm (IBAN: DE47630500000000100003, BIC: SOLADES1ULM), eingerichtet. Für Spenden ab 201 € erhalten Si, von uns eine Zuwendungsbescheinigung.
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Text und Foto: SÜDWEST PRESSE - Stefan Bentele