07.10.2022

Ein Leben für die Musik

Roman In seinem Buch „Warum die Liebe den Idioten überlassen?“ berichtet Frank Maier von seiner Zeit im Café 113, im Wiley Club – und von Backstage-Erlebnissen. Von Udo Eberl


en Buchtitel für sein Romandebüt hatte Frank Maier recht früh gefunden: „Warum die Liebe den Idioten überlassen?“ Da hatte der aktuell in Berlin lebende Musikpromoter bereits damit begonnen, sich immer wieder intensiv an die Jahre zu erinnern, in denen er daran beteiligt war, im Neu-Ulmer Wiley Club ein außergewöhnliches Programm auf die Bühne zu stellen. 

Zunächst ging es ihm um die Sichtung von Material und die Dokumentation dieser Zeit – unterstützt vom Historiker Eberhard A. Merk. Zumal der Wiley Club als Bar, Restaurant und Veranstaltungsort in diesem Jahr 2022 sein 30-jähriges Bestehen feiert. Nun ist aus dem Bildband ein Roman geworden, in dem auf 144 Seiten so einiges steckt: Eine ungewöhnliche Coming-of-Age-Story, die zwischen Maiers Geburtsort Laupheim und einem ländlichen Rotlicht-Milieu spielt, um dann mit dem Erwachsenwerden in Ulm mächtig Fahrt aufzunehmen. Und eben auch die Liebe, die man nicht den Idioten und Ignoranten überlassen sollte.

 

Klar, es gibt in diesem Buch auch diverse Lovestories, aber vor allem geht es um die Liebe zur Musik, und darum, wie sehr Kultur das eigene Leben bereichern kann: „ich begriff, dass Genuss durchaus auch mit Anstrengung zu tun haben kann und wahre Kunst eine größere Welt versprach, in der man bis zuletzt glücklich sein konnte. Man musste es nur wollen.“

 

Der heute 56-jährige Frank Maier hatte bereits im „Juze“ Laup­heim sein Organisationstalent unter Beweis gestellt und als Veranstalter internationales Flair in die Stadt geholt. Als junger Mann sorgte er dann für Wind in der Ulmer Szene, war Radio-aktiv und immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen, ob als DJ oder Kulturmacher.

 

In Paul Staffen, der in seinem „Café 113“ in der Ulmer Frauenstraße auch besondere Konzerte veranstaltete und wegen seiner Souveränität, mit der er lässige Arroganz zu seinem Markenzeichen machte, polarisierte, fand er seinen Mentor. „Damals war er der einflussreichste Gastronom einer Stadt, die nicht wusste, was sie mit sich anfangen sollte.“

 

Neben dem Ich-Erzähler wird Staffen, der seit vielen Jahren in Brasilien lebt und sich, so Maier, auf die Veröffentlichung des Romans riesig freut, zu einer tragenden Figur des Buchs, denn er war es, der vor 30 Jahren aus dem ehemaligen Casino auf dem Militärgelände der US-Armee nach dem Abzug der Truppen einen edlen Club mit Restaurant machte. Für die Umsetzung der Idee, dort auch ein internationales und zukunftsweisendes Liveprogramm zu bieten, verließ er sich auf Maier und übertrug ihm „die komplette Organisation, die Promotion und das Booking“.

 

Dieser rast und stolpert geradezu durch diese turbulenten Jahre, bewegt sich ganz im Sinne der Autofiktion auf der realen Zeitschiene. Fotografien und Konzertkritiken halfen dem Autor bei der Rückschau. So erlebt man Konzerte von Bands wie Incognito, den Stereo MCs, George Clinton, Grandmaster Flash, Linton Kwesi Johnson oder den jungen Fantastischen Vier aus der Sicht des Veranstalters, ist mit ihm backstage oder im Hotel bei Künstlerinnen und Künstlern.

 

In Nebensätzen watscht er Zeitgenossen ab, flitzt in künstlerische Seiten- und Sackgassen Ulms, um die Leserschaft dann auf seinen Weg nach Hamburg, wo er zu einem erfolgreichen Musikpromoter wurde, mitzunehmen. Ein Traumjob, der so viel Energie verbrauchte, dass „meine Haare innerhalb nur eines Jahres grau geworden sind“.

 

Ganz oder gar nicht ist die Devise von Frank Maier, der nach Jahren in Ostafrika und Bulgarien in Berlin seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat. Deshalb verpackt er in sein Buch auch noch ein paar Insider über die Mechanismen der Musikindustrie. Dass er ein Schriftsteller würde, hatte er sich zunächst nicht ausgemalt, denn so etwas wie eine poetische Flamme hatte er in sich nie gespürt. „Ich bin entzündet worden“, beschreibt er das, was passierte, als er sich auf Anraten seines Verlags vom reinen Festhalten an der Historie aufs teils fiktive Schreiben verlagerte. „Auch dank der Unterstützung der Stadt Neu-Ulm und vor allem von Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger konnte ich mich zum Schreiben für mehrere Wochen in eine Hütte zurückziehen.“

 

Maier schreibt so schnell, wie er spricht. Er bewegt sich bisweilen mit Purzelbäumen durch dieses Stück Konzertgeschichte, lässt aus, gewichtet, erzählt seine Sicht der Dinge. Viele Zeitgenossen aus den Donaustädten werden sich wiederfinden, andere werden sich vernachlässigt fühlen. „Aber ich hatte ja auch nicht das Ziel, ein Julian Aicher zu sein“, sagt Maier grinsend und weist auf all das hin, was in den kommenden Wochen passieren wird.

 

Am Samstag erscheint „Warum die Liebe den Idioten überlassen?“, am 13. Oktober wird Maier in der Galerie der SÜDWEST PRESSE lesen, und für den 25. November ist im Gleis 44 eine Memorial Night für den Wiley Club geplant, bei der Jazzgitarrist Jean-Paul Bourelly zu erleben ist. Maier sitzt bereits am nächsten Buch und träumt von einem etwas anderen Wiley-Open-Air.




Buchpräsentation in der Galerie der Südwest Presse:

Lesung Frank Maier präsentiert am Donnerstag, 13. Oktober, sein erstes Buch „Warum die Liebe den Idioten überlassen?“. Von 19 Uhr an liest er in der Galerie der Südwest Presse in der Olgastr. 129 aus seinem Roman und wird dabei vom Ulmer Jazzgitarristen Ebbo Göler begleitet. Der Eintritt ist frei, um Spenden für die Aktion 100 000 und Ulmer helft wird gebeten. Informationen zum Buch und zu weiteren geplanten Aktionen finden sich schon bald auf der Homepage des Autors thewileyears.de und auf www.aktion100000.de