10.05.2016

Ja so warn’s, die alten Rittersleut’

Auf dem Mittelaltermarkt in Wiblingen beruht fast alles auf historischen Vorbildern

Faszination Mittelalter: Sie hat rund ums Kloster ihren traditionellen Ort: Zum achten Mal findet der Mittelaltermarkt samt großem Ritterturnier statt.
Das Mittelalter: Zeit der Ritter, Päpste, Burgfräulein. Es sind düstere Jahrhunderte, voller Gewalt, in denen Menschen der Hexenjagd zum Opfer fielen und in dem die Erde eine Scheibe zu sein schien. „Die wenigsten von uns würden heute im Mittelalter überleben", sagt Dirk Egeler.
Das Mittelalter ist aber auch das Zeitalter der Trommel- und Dudelsackklänge, der Wahrsager, Spielleute und Jongleure, die ihr Können im Licht von Fackeln und Öllampen zeigten. „Das Mittelalter ist faszinierend. Es ist für uns heute weniger eine Epoche, als vielmehr ein Gefühl“, sagt Anna Axtmann. Dieses Lebensgefühl der Zeit zwischen 600 und 1500 erfüllt seit gestern wieder den Klosterhof in Wiblingen.

Bereits zum achten Mal findet in Wiblingen, veranstaltet von der Südevent UG aus Ulm, das große Spektakel mit Ritterturnier, historischer Handwerkskunst und zahlreichen Darstellungen statt. Im Lustgarten des Klosters kann man sich mit einem offenen Lagerleben auf eine Zeitreise durch die Jahrhunderte begeben. Dort hat auch das Gefolge des Kaufmanns Werner des Fünften aus Neuhausen seine Zelte aufgeschlagen. Mit in seinem Hofe ist auch Dirk Egeler, der mit seiner Gruppe aus der Nähe von Leonberg erstmals das 12. bis 14. Jahrhundert in Wiblingen repräsentiert.

Regelmäßig seien sie auf verschiedenen Märkten, „aber der hier ist etwas ganz Besonderes“, urteilt er schon am ersten Tag . „Es wird sehr viel Wert auf historische Darstellung gelegt“, sagt Egeler. Schließlich sei das Mittelalter nicht allein eine dunkle Zeit gewesen, sondern auch Frohsinn und wichtige Geschichte. „Wir stellen die Idylle dieser Zeit hier dar.“ Auch die „Franko-Alemannen“, eine Gruppe aus München und mit dem Markt in Wiblingen langjährig vertraut, halten die Darsteller-, und -stellungen für ziemlich authentisch. „Hier sind unglaublich gute Händler und auch außergewöhnliche Angebote wie etwa ein Pflanzenfärber“, sagt Florian Heinen, nachdem er mit Tobias Werner, seinem Gefährten aus dem neunten Jahrhundert einen Schwertkampf gefochten hat. „Hier kann man für ein paar Tage komplett vom Alltag abschalten“, sagt Heinen, während auf dem Turnierplatz die internationale Reit- und Stuntshowgruppe „La Compania“ den Schwörbrief von Ulm zur Grundlage eines Ritterturniers machte, samt Fußvolk und geschichtlichen Hintergrund. „Ulm hat eben eine Geschichte, und die stellen wir jedes Jahr in verschiedenen Variationen dar“, berichtet Michael Conelly, Turniersprecher, Regisseur – oder wie er sich selber nennt: Herold von Wiblingen.

Erstmals sind dafür auch die Zuschauertribünen beflaggt, und zwar mit 24 Familienwappen von Ulmer Patrizierfamilien. „Alles hier hat ein historisches Vorbild“, sagt Anna Axtmann, die in Neumarkt in der Oberpfalz nicht nur in einem Labor für experimentelle Archäologie arbeitet, sondern auf Märkten ihre nachgefertigten Tonkrüge und Becher anbietet. Es seien neben dem Schaupublikum auch jede Menge Fachkundige unterwegs. „Wir leben die Historie“, bekräftigt Simone Keil, Organisatorin des Mittelaltermarkts. „Hier wird lebendige Geschichte dargestellt.“
Diese ist nicht nur durch Bronzegießer, Töpfermeister und durch ein Puppentheater, eine Feuershow und einen Holzwurmzirkus erlebbar, auch kulinarisch fühlt man sich mit Flammlachs, Entenkeule und Rosenküchle in eine andere Zeit versetzt.
„Der Markt ist Trubel und Essen; und das Turnier ist das Highlight, an dem damals alle zusammenkamen, um dem tristen Alltag zu entkommen“, weiß Keil. In Wiblingen gelte das Gesetz der bunten Vielfalt des Mittelalters, Mittelalterglückseligkeit. Keil: „Für die Schattenseiten der Epoche kommt man ja schließlich nicht zusammen.“