04.07.2016

Beifallsstürme für das interkulturelle Konzert von Markus Romes in der Martin-Luther-Kirche

SEHNSUCHT NACH FREIHEIT UND LEBEN
120 Mitwirkende aus 36 Ländern begeistern in Markus Romes’ Multikulti-Projekt „Leben und Leben lassen“ mit Musik, Tanz, Poesie und Rezitation.

Standing Ovations, orkanartiger Schlussbeifall wie bei einem Pop-Konzert. Oder wie nach dem gewonnenen Fußball-Viertelfinale. Multikulti, vor allem aus Nahost, im Publikum und bei den Akteuren, war in der ausverkauften Martin-Luther-Kirche zu erleben – nicht alle fanden Einlass. Um „Zusammenrücken“ bat dann Markus Romes, der künstlerischer Leiter, Dirigent und Pianist, anfangs die wohl 1000 Zuhörer. Dies galt im übertragenen Sinn auch für sein neues Musikprojekt „Leben und leben lassen“, das unter der Schirmherrschaft von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht. „1,2,3, wer hat den Ball? Wem gehört die Erde?“, lässt der Kinderchor einen Ball kurven bis zum Fazit: „Für alle ist die Erde.“ Ein schöner Auftakt für das 130-Minuten-Konzert (Regie: Anke Bußmann) zu Gunsten der Aktion 100 000. Solistisch oder in Ensembles laden unterschiedliche Gesänge, Sprachen, Poesie (mit Übersetzern), Musikstile und exotische Instrumente ein, den Religionen und Kulturkreisen näher zu kommen. Integrationsprobleme? Mehr als 120 große und kleine Künstler, Amateure und Profi s aus 36 Ländern, alle ganz in Weiß gekleidet, bringen sich mit Herzblut, Euphorie und Können ein. Die Sehnsucht nach Freiheit, Frieden und Leben eint alle. Für Gänsehaut sorgt gewiss bei den arabischen Besuchern die Heimatliebe einer syrischen Poesie. Aber auch das stimmschöne Großaufgebot aus acht jungen Chören in Michael Jacksons „We Are The World“, in dem sinnbildlich um einen Platz in der Welt gerangelt wird. Zwischendurch heizen fetziger Rap und Tanz in den Gängen ein. In der Projekt-Band improvisiert der ukrainische Violinist neben der georgischen Cellistin und dem russischen Akkordeonspieler. Gegenüber trommelt Debora Vilchez aus Peru. Kontrabass, Gitarre und Klavier sind in deutscher Hand. Kyrat-Çelik spielt die türkische Ba lama-Laute und der Tunesier Amine Othmane die Oud-Kurzhalslaute. Yueling Li streicht mit dem Bogen die zweisaitige chinesische Erhu, während der verträumt summende Chor „Die Straße, wo der Wind wohnt“ untermalt: berührende Melancholie. Musik verbindet und zeigt in zwei Dutzend Beiträgen, wie bereichernd und kreativ ein globales Miteinander sein kann. Da zieht der isländische Opernsänger Thorsten Sigurdsson mit „Fremd bin ich eingezogen“ aus Schuberts „Winterreise“ ebenso in den Bann wie der pakistanische Koran-Rezitator Ali Mahmoud mit Suren oder Morteza Ahmadi aus Afghanistan im Liebeslied „Leila“. Margarete Lamprecht entführt singend in jüdische Gefilde, auch Disseuse Chris Maihoefer. Und im Finale reißen ein syrisches Männer-Quartett und das Chor-Kollektiv in „Lama Bdomik“ alle mit klatschend vom Hocker. Dieses zumindest im Ulmer Raum in seiner Art einzigartige Konzertprojekt wird nachhallen, ist zugleich eine Gedenkveranstaltung für die „Weiße Rose“. Deren Mitglieder versteckten damals Flugblätter in der Orgel der Luther-Kirche, die Albrecht Krokenberger in William Faulkes’ Festival-Prelude „Ein feste Burg ist unser Gott“ mauerbebend aufrauschen ließ.

Info Das Konzert erklingt am Samstag, 9. Juli, 19 Uhr, in der Martin-Luther-Kirche noch einmal. Eintritt frei!

Christa Kanand