23.11.2016

Eine Frau verzweifelt

Schicksal Als ein Kind in Not um Hilfe bat, nahm sie es sofort auf. Jetzt kämpft sie selbst gegen Schimmel in der Wohnung, Geldmangel, drohenden Jobverlust.

"Ich will nur noch raus hier", sagt Irene K. Scham und Ekel lassen ihr die Tränen in die Augen steigen. Fast elf Monate lang glich ihre Mietwohnung einer Baustelle. Handwerker hatten im Januar riesige Löcher in Wände und Boden geschlagen, nachdem in der Wohnung darunter Wasser von der Decke getropft und der Boden gebröckelt war. Zwischen den Stockwerken hatte sich wannenweise Wasser gesammelt. Woher die stinkende Brühe kam, sei bis heute ungeklärt, sagt die 30-jährige.

Erst Anfang November wurden die tiefen Löcher im Boden wieder zugemacht, die Spuren sind noch zu sehen. Die extrem verschimmelte Drei-Zimmer-Wohnung müsste grundsaniert werden. Und sie ist zu klein. Eng geht es zu im Kinderzimmer, das sich die zehnjährige Tochter und die gleichaltrige Pflegetochter seit mehr als einem Jahr teilen. Das Mädchen, dessen Mutter nach einem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen und alkoholkrank ist, hatte die Wiblingerin darum gebeten, vorübergehend bei ihr unterzukommen. Die sagte sofort zu. Inzwischen habe sich der Zustand der Mutter verschlechtert, das Kind kann nicht zurück zu ihr. Verhandlungen und Beratungen mit Ämtern, Lehrern und der Familienhilfe folgten, zumal Irene K. selbst alles andere als auf Rosen gebettet ist.

Im Januar trat sie eine neue Teilzeitstelle an, bezieht außerdem Sozialleistungen. Das Pflegegeld, das sie bekommt, wird darauf angerechnet. Der Zuschuss für die Erstausstattung des Pflegekindes reichte hinten und vorne nicht. "Das Mädchen hatte ja nicht mal Unterwäsche, geschweige denn Winterklamotten", erzählt Irene K. Die Familienhelferin lieh ein Klappbett, das ins Kinderzimmer gequetscht wurde. Irgendwann habe sie auf lauter Rechnungen gesessen, sagt Irene K.

Der Wasserschaden im Januar brachte das Fass buchstäblich zum Überlaufen. Hinzu kam, dass die Bürokauffrau zwar halbtags eingestellt war, zunehmend aber nachmittags und samstags arbeiten musste. Sie setzte durch, dass sie wieder vormittags kommen durfte, fühlte sich aber vom Chef unter Druck gesetzt - unter anderem wegen sexistischer und diskriminierender Äußerungen. Sie sei der Beweis dafür, dass gutaussehende Frauen schlecht arbeiten, habe sie sich anhören müssen. Und: Sie habe eine Behinderung, nämlich zwei Kinder.

Sie weiß nicht, ob ihr bis zum Jahresende befristeter Vertrag verlängert wird. Auch deshalb ist es eine Katastrophe für sie, dass ihr an manchen Stellen nur mit Tape zusammengehaltenes Auto jetzt völlig den Geist aufgegeben hat. Das schränkt die möglicherweise notwendige Stellensuche ein. Dass jetzt auch der Kühlschrank nicht mehr funktioniert, erschwert Irene K. und den Kindern den Alltag noch zusätzlich. Seit gut einem halben Jahr habe sie keinen Besuch in die Wohnung gelassen. "Ich schäme mich so", sagt Irene K. Mein größter Wunsch ist eine bezahlbare Wohnung, in der wir Drei uns nach der Schule und nach der Arbeit wohlfühlen können."