26.03.2019

Heldin und Held sein - sicher, selbstbewusst und tolerant

Workshop mit Volkram Zschiesche an der Gustav-Leube-Schule

„Ich bin der absolute Oberknaller!“ schreit Volkram Zschiesche den 18 Kindern und Jugendlichen entgegen. Die Gruppe schreit zurück: „Ich bin der absolute Oberknaller!“ Weitere Sätze wie: „Ich möchte nicht, dass du so mit mir redest!“ oder „Lass ihn in Ruhe!“ schallen durch die Bewegungshalle der Gustav-Leube-Schule in Blaustein. Nein, hier ist kein Streit im Gange. Stattdessen übt Volkram Zschiesche mit den Kindern an drei Nachmittagen, sich selbst zu vertrauen, offen und ehrlich zu sich zu stehen, mit Ängsten umzugehen, sich selbst und andere respektvoll zu behandeln, seinen Körper als Instrument einzusetzen, Kampfkunst und Selbstverteidigung, Handlungsmöglichkeiten bei Mobbing und vieles mehr.

Bei dieser Spiegelübung legen die Kinder jegliche Zurückhaltung ab und trauen sich mit vollem Körpereinsatz zu sich und ihrer Meinung zu stehen. „Das fühlt sich voll gut an!“ sagt Francesco und strahlt übers ganze Gesicht. 

Volkram Zschiesche ist Theater- und Filmschauspieler. Vier Jahre arbeitete er am Theater Ulm und lebt jetzt in Berlin. Neben seiner schauspielerischen Tätigkeit, (gerade war er wieder im Tatort zu sehen), gibt er auch immer wieder Workshops an Schulen. Hier geht es ihm vor allem um Bewusstsein - auf mentaler, emotionaler und körperlicher Ebene.

Um das eigene Körpergefühl zu stärken, zeigt Volkram Zschiesche den Kindern Übungen aus der Kampfkunst. Alle sind begeistert dabei und konzentrieren sich ganz auf die Bewegungen, die er ihnen beibringt. „Das sieht so cool aus bei ihm“, schwärmt Lamin. „Das will ich auch so können.“ „Das fühlt sich stark an, wenn wir alle in der Gruppe das zusammen machen“, freut sich Jamal. „Und ich bin voll stolz, dass er mir auch noch gezeigt hat, wie Handstand geht“, freut sich Francesco.

Er motiviert die Kinder und Jugendlichen, über ihren Schatten zu springen und sich etwas zuzutrauen. Jeder soll einzeln die „Bühne“ betreten und seine Stärken und Schwächen nennen. „Oh, ich bin aufgeregt“, gibt Lea zu. Daraufhin fordert Volkram Zschiesche die Gruppe erst einmal auf, ihr einen tosenden Applaus zu schenken, da sie den Mut hatte, offen und ehrlich zu ihren Gefühlen zu stehen.

Die Kinder spüren in ihren Körper, nehmen ihre Angst war und lernen, dass diese geht, wenn man sie akzeptiert und einfach annimmt. „Dein Herz darf jetzt schneller schlagen, es ist ok, du darfst aufgeregt sein.“ Volkram Zschiesche gibt der Angst einen Namen - Anton. „Atme tief ein und aus und nimm Anton in den Arm.“ Die Kinder erfahren durch eigenes Tun, dass diese einfachen „Tricks“ wirken und sind ganz erstaunt. „Das habe ich vorher noch nie ausprobiert, aber es funktioniert.“, sagt Özlem begeistert. „Ich habe immer gedacht, ich darf keine Angst zeigen, weil mich dann alle auslachen. Seit Volkram das gesagt hat, weiß ich, dass die, die einen auslachen und so cool tun, selber am meisten Angst haben.“ 

Als alle einzeln erzählen, wer die Heldin oder der Held in ihrem Leben ist, kann man eine Stecknadel fallen hören. Es ist sehr berührend, wie ehrlich und ergriffen die Kinder von Eltern, Großeltern oder Geschwistern erzählen. Auch hier wird jedem einzelnen wertschätzend gedankt und applaudiert. „Es macht Mut, wenn man so respektvoll behandelt wird“, sagt Lea.

Immer wieder geht es um den Umgang miteinander: „Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst.“, steht in großen Buchstaben auf der Tafel. Und obwohl dieser Satz allen einleuchtet, ist es im Alltag manchmal schwer, bewusst zu handeln. So wird z.B. Mobbing erst möglich, wenn keiner eingreift und alle stattdessen nur Zuschauer und Mitläufer sind.

Um dies greifbarer zu machen, erzählt Volkram Zschiesche die Geschichte von dem schwarzen und dem weißen Wolf. Dabei steht der schwarze Wolf in uns für Angst, Neid, Eifersucht, Lüge, Arroganz und Hass. Der weiße Wolf ist voller Liebe, Frieden, Hoffnung, Mitgefühl, Gerechtigkeit und Wahrheit. Diese Wölfe kämpfen ständig miteinander. Auf die Frage, welcher Wolf denn gewinnt, antwortet er: „Der, den du fütterst“.

Gerade das Thema Mobbing beschäftigt viele Schülerinnen und Schüler. Dass sie selber aber auch „Mitschuld“ tragen, obwohl sie selber niemanden mobben, war vielen nicht bewusst. Volkram Zschiesche zeigt Wege auf, wie man eben nicht Zuschauer oder Mitläufer wird, sondern ganz aktiv Stellung für das Mobbingopfer bezieht und somit den Teufelskreis durchbrechen kann. „Jeder hat in jeder Situation die Möglichkeit zu entscheiden, welchen Wolf er füttert, welchen Weg er gehen möchte.“

Diese drei Nachmittage waren für alle Beteiligten sehr intensiv und berührend. Und obwohl inzwischen schon einige Zeit verstrichen ist, bleiben diese wertvollen Erfahrungen Teil unseres gemeinsamen Schullebens. Es war für alle ein unvergessliches Erlebnis und hat seine Spuren hinterlassen.

Alinda (vor 3 Jahren aus dem Irak geflüchtet): „Es lohnt sich, diesen Weg zu gehen und es sich immer wieder bewusst zu machen. Dann machen wir die Welt ein bisschen friedlicher.“

Wir bedanken uns von Herzen für die finanzielle Unterstützung der Aktion 100.000.
So wurde unseren Kindern und Jugendlichen ein unvergessliches und prägendes Erlebnis ermöglicht.


Fotos: Chrissie Becker